Sorbitintoleranz: Falsch­informationen verun­sichern viele Betroffene

Zum Thema Sorbit­intoleranz sind leider viele Falsch­informationen im Umlauf und verun­sichern viele Betroffene. Wir erklären die Wirkung vom Sorbit im Körper und räumen mit vielen gängigen Mythen auf.

Sorbit in Früchtebrot

Was ist eine Sorbit­intoleranz?


Sorbit ist ein Zuckeralkohol, der natürlicher­weise in vielen Obst- und Gemüsesorten vorkommt. Er dient dort als Vorstufe für die Zucker­synthese und wird von uns häufig in kleinen Mengen mit der Nahrung auf­genommen.

Unser Darm ist wegen der eher geringen natürlichen Mengen nicht auf die Verdauung großer Mengen Sorbit ausgelegt – er zählt zu den langsam absorbierbaren Kohlen­hydraten (FODMAPs). Solche Zuckeralkohole haben daher in hohen Mengen auch bei gesunden Menschen eine stark abführende Wirkung.

Wenn es allerdings schon nach dem Verzehr von wenigen Gramm Sorbit zu Verdauungs­beschwerden kommt, spricht man von einer Sorbit­malabsorption (auch bekannt als Sorbit­intoleranz).

Hier beginnt das Problem, denn Sorbit und andere Zucker­alkohole sind als Zusatzstoffe für die Lebensmittel­industrie höchst interessant, weil sie Wasser binden und deswegen die Austrocknung von abgepackten Lebens­mitteln verhindern. Beispielsweise bleibt Fertig­kuchen so lange saftig und frisch. Außerdem kommen sie als Zucker­ersatzstoffe in manchen zuckerfreien oder -reduzierten Lebensmitteln zum Einsatz, weil sie den Blutzucker­spiegel kaum ansteigen lassen.


Was sind die Symptome einer Sorbit­unverträglich­keit?


Jeder, der bei der Kirschernte schon einmal kräftig zugelangt hat, kennt die Symptome: Wenn man es übertreibt, kommt es im Nachgang zu äußerst unangenehmen Verdauungs­beschwerden. Die Symptome sind bei einer Sorbit­unverträglichkeit ganz ähnlich, aber sie treten bereits bei sehr viel niedrigeren Dosen auf. Abhängig von der verzehrten Menge leidet man unter leichten Blähungen, starken Bauch­schmerzen und wässrigen Stühlen bis hin zu starken Durchfällen.

Sind Sie von Lebens­mittel­unverträglich­keiten betroffen?

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Grund dafür ist die stark wasser­anziehende Wirkung von Zucker­alkoholen. Wenn große Mengen an unverdauten Zucker­alkoholen in den Dickdarm gelangen, wird eine unangenehme Kettenreaktion in Gang gesetzt. Sorbit zieht Wasser aus der Umgebung an und erhöht das Stuhlvolumen. Gleichzeitig fermentieren Darm­bakterien das Sorbit und produzieren dabei mitunter schädliche Stoffwechsel­produkte und Verdauungs­gase, was den Darm zusätzlich stresst. Die Symptome sind sehr ähnlich zu anderen Kohlenhydrat­malabsorptionen, wie z. B. der Lactose­intoleranz.


Diagnose


Wenn der Verdacht besteht, dass sorbithaltige Lebensmittel hinter den Verdauungs­beschwerden stehen, ist ein Gastroenterologe der richtige Ansprechpartner. Er kann einen sog. Wasserstoff-Atemtest durchführen. Dabei wird auf nüchternen Magen eine definierte Lösung mit 5–10 g Sorbit getrunken. Durch das vorherige Hungern passiert die Lösung schnell den Magen und anschließend den Dünndarm, wo ein Teil des Sorbits absorbiert wird. Der nichtabsorbierte Rest erreicht nach circa 90 bis 150 Minuten den Dickdarm, wo sich die Bakterien der Darmflora über den Zuckeralkohol hermachen und ihn fermentieren. Während der ganzen Zeitdauer wird erfasst, wie hoch der Wasserstoff­anteil in der ausgeatmeten Atemluft ist.

Wasserstoff entsteht ausschließlich bei der bakteriellen Fermentation von Kohlen­hydraten im Darm. Das Gas gelangt über die Darm­schleimhaut in den Blutkreislauf und wird über die Lunge abgeatmet. Eine hohe Wasserstoff­konzentration ist deswegen ein Hinweis, dass das Sorbit nur unvollständig vom Darm absorbiert wird. Treten nach dem Test zusätzlich noch starke Verdauungs­beschwerden auf, spricht man von einer Sorbit­intoleranz.


Wo sind die Grenzen dieses Tests?


Der Sorbit-Atemtest ist einfach durchzuführen und für den Patienten ungefährlich, hat aber ein grundsätzliches Problem: Bei einer Menge von nur 5 g kommt es bereits bei etwa der Hälfte der gesunden Menschen zu einer Malabsorption. Bei 20 g liegt die Rate schon bei über 80 %.

Fakt ist: Sorbit wird von allen Menschen nur in begrenzten Mengen vertragen. Ein positives Ergebnis im Atemtest ist aber nur dann von Belang, wenn das Wohlbefinden durch den Verzehr auch tatsächlich beeinträchtigt wird.

Man sollte unabhängig vom Testergebnis auch weiterhin ein Ernährungs­tagebuch führen und dokumentieren, ob die Beschwerden mit dem Meiden von Sorbit auch wirklich verschwinden. Falls dies nicht der Fall ist, sollte man die Diagnose unter Rücksprache mit dem Arzt überprüfen!


Welche natürlichen Lebensmittel enthalten Sorbit?


Sorbit kommt hauptsächlich in bestimmten Obstsorten vor, in geringerem Maße auch in Gemüse.

LebensmittelSorbitgehalt
Trockenpflaumen (eine Handvoll)7 g
Birne (eine Frucht)4 g
Zwetschgen (zwei Stück)3,6 g
Aprikosen (drei Stück)1,4 g
Nektarine (eine Frucht)1 g
Apfel (eine Frucht)0,6 g
Tabelle 1: Natürlicher Sorbitgehalt einiger Obstsorten.

Alle Lebensmittel, die aus sorbithaltigen Früchten hergestellt werden, enthalten ebenfalls Sorbit, dazu zählen beispielsweise Säfte, Konfitüren oder Obstkuchen. Natürlich vorkommendes Sorbit muss nicht in der Zutaten­liste ausgewiesen werden!


Industriell hergestellte Lebensmittel mit Sorbit


Wird Sorbit als Süßungs­mittel oder Feuchthalte­mittel zu einem industriell produzierten Lebensmittel hinzugefügt, ist es ein kennzeichnungs­pflichtiger Zusatzstoff und muss explizit als Sorbit oder E 420 ausgewiesen werden!

Weitere Zuckeralkohole
Neben Sorbit gibt es jedoch noch andere Zuckeralkohole, die bei Sorbitintoleranz in großen Mengen ebenfalls problematisch sein können, dazu zählen beispielsweise Mannit (E 421), Isomalt (E 953), Maltit (E 965), Lactitol (E 966), Xylitol (E 967) und Erythrit (E 968).

In folgenden Lebensmitteln wird Sorbit häufig eingesetzt:
  • Pralinen
  • Schokoladen mit Cremefüllungen
  • Hustenbonbons
  • Kaugummis
  • Lebkuchen
  • Abgepackte Kuchen, Cupcakes oder Muffins
  • Stieleis mit Fruchtglasuren
  • Kaubonbons mit Frucht­geschmack

Umgekehrt wird aber auch vielen Lebensmitteln ein hoher Sorbitgehalt angedichtet, die in Wirklichkeit kein oder nur unproblematische Spuren von Sorbit enthalten.

Folgende Lebensmittel enthalten keine problematischen Mengen an Sorbit:
  • Senf
  • Mayonnaise
  • Milchschokolade bzw. Bitter­schokolade
  • Bier und Wein
  • Essig
  • Hefeextrakte
  • Zuckerfreie Limonaden*

* Zuckerfreie Getränke werden üblicherweise nicht mit Sorbit gesüßt, weil die benötigte Menge schon die Toleranz­schwelle gesunder Menschen überschreiten würde (Sorbit hat eine deutlich geringere Süßkraft als Zucker). Zucker­freie Getränke enthalten in der Regel besser verträgliche Zucker­ersatzstoffe, z. B. Cyclamat, Acesulfam-K oder Aspartam.

Leider herrscht durch die vielen Falsch­informationen auf unzähligen Webseiten eine große Unsicherheit. Wenn man sich etwas intensiver mit der Situation beschäftigt, fällt einem schnell auf, dass viele Seiten ungeprüft Informationen von anderen Webseiten übernehmen, weswegen sich fehlerhafte Informationen schnell verbreiten und auch lange halten. Mit solchen gängigen Mythen aufzu­räumen war übrigens eine der Motivationen für unsere App Histamin, Fructose & Co.


Bier und Sorbit­unverträglich­keit


Wir möchten dies einmal exemplarisch am Beispiel von Bier demonstrieren. Bei der Fermentation von Bier durch entsteht eigentlich kein Sorbit, allerdings kann die verwendete Bier­hefe Spuren von Sorbit enthalten, weil dort manchmal Sorbit­verbindungen als Stabilisatoren eingesetzt werden. Allerdings handelt es sich hierbei nur um minimale Spuren. Bier enthält deswegen etwa 2 mg/100 ml Sorbit und muss, so die Folgerung von vielen Web­seiten, bei Sorbit­intoleranz unbedingt gemieden werden.

Ein Glas Bier (300 ml) enthielte dann 6 mg Sorbit, das ist nicht gerade viel! Zum Vergleich: Eine Nektarine enthält ungefähr 1 g Sorbit, eine Menge, die viele Menschen mit Sorbit­intoleranz vielleicht gerade noch so vertragen können. Man müsste mehr als 166 Gläser Bier trinken, um auf die Menge von Sorbit in einer Nektarine zu kommen. Es ist also ziemlich unsinnig, Bier wegen des Sorbit­gehalts als ungeeignetes Lebens­mittel zu brandmarken (siehe Abbildung 1). Selbiges gilt für Brot, bei dem auch Spuren von Sorbit durch die Hefe enthalten sein können.*

Sorbitgehalt von Bier und einer Birne im direkten Vergleich
Abbildung 1: Sorbitgehalt in 100 ml Bier (links) im Vergleich mit dem Sorbitgehalt einer kleinen Birne (rechts).

Bier wird dennoch bei Lebens­mittel­unverträglich­keiten häufig sehr schlecht vertragen, mit dem Gehalt an Sorbit hat dies aber eher nichts zu tun, dafür ist er viel zu niedrig. Es ist ein Miss­verständnis, dass man bei einer Sorbit­unverträglichkeit Sorbit vollständig meiden muss. Es gilt viel mehr: Die Dosis macht das Gift. Allerdings werden viele alkoholische Getränke bei Reizdarm­beschwerden nur sehr schlecht vertragen, deswegen möchten wir an dieser Stelle auf unseren Artikel über mögliche Ursachen für Reizdarm verweisen.


* Etwas anders ist die Situation bei Personen, die allergisch auf Sorbitan­sesquioleat und Sorbitan­monooleat reagieren. Bei einer Allergie auf diese Sorbit­verbindungen sollte man beachten, dass sie in Brot, Bier und anderen hefe­haltigen Lebens­mitteln enthalten sein können.


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Quellen:
  1. M. Grembecka et al., Simultaneous separation and determination of erythritol, xylitol, sorbitol,mannitol, maltitol, fructose, glucose, sucrose and maltose in foodproducts by high performance liquid chromatography coupled tocharged aerosol detector, Microchemical Journal 117 (2014), 77–82
  2. G. Arfelli et al., Characterisation of brewpub beer carbohydrates using high performanceanion exchange chromatography coupled with pulsed amperometricdetection, Food Chemistry 142 (2014), 152–158
  3. S. Cortacero-Ramírez et al., Analysis of beer components by capillary electrophoretic methods, Trends in Analytical Chemistry 22(7+8) (2003), 440–455
  4. R. Andersen et al., Separation and determination of alditols and sugars by high-pH anion-exchange chromatography with pulsed amperometric detection, Journal of Chromatography A, 897 (2000), 195–204
  5. https://de.wikipedia.org/­wiki/­Wasserstoff­atemtest (Abgerufen 08/2019)
  6. K. Saussy et al., Allergic Contact Dermatitis From Sorbitans in Beer and Bread, Cutis. 2019 September;104(03):184-186