Lactose­intoleranz und Reizdarm

Offensichtlich werden Reizdarm­beschwerden verstärkt, wenn größere Mengen Milch­zucker in den Dick­darm gelangen – selbst wenn Betroffene gar nicht an einer Lactose­intoleranz leiden. Woran liegt das?

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Eine Milch­zucker­unverträglich­keit tritt dann auf, wenn die Produktion des Verdauungs­enzyms Lactase im Dünn­darm so stark vermindert ist, dass der Milch­zucker nur unvoll­ständig verdaut werden kann.

Bei Reizdarm­patienten tritt die Lactose­unverträglich­keit im Schnitt nur etwas häufiger auf als in der normalen Bevölkerung. Allerdings werden die Verdauungs­beschwerden in der Reizdarm­gruppe als deutlich unangenehmer wahrge­nommen. In der normalen Bevölkerung empfinden viele Menschen mit Lactose­intoleranz gar keine oder nur schwach ausgeprägte Symptome. Woher kommen diese starken Unterschiede in der Wahr­nehmung?


Verdauungs­beschwerden durch Lactose


Offensichtlich können Reizdarm­beschwerden verstärkt werden, wenn größere Mengen Milch­zucker in den Dick­darm gelangen. Eigentlich dient der Zucker dort den nützlichen Milchsäure­bakterien als Nahrung. Bei der Fermentation von Milch­zucker entstehen essentielle kurzkettige Fettsäuren, die die Darm­schleim­haut schützen.

Erst wenn die Menge des Milch­zuckers zu groß ist, treten bei Lactose­intoleranten Beschwerden auf, weil dann ein anderer Effekt überwiegt: Milch­zucker zieht Wasser aus der Umgebung an und verhindert die Entwässerung des Stuhls.

In der Regel werden über den Tag verteilt 12 g Milchzucker (die Menge in einem kleinem Glas Milch) problemlos vertragen. Menschen mit genetisch bedingt nachlassender Lactase­aktivität können deswegen durchaus moderate Mengen an Milch­produkten konsumieren.


Veränderte Darmflora bei Reizdarm


Die Darmflora des Menschen besteht zum überwiegenden Teil aus Bakterien. Aus Untersuchungen weiß man, dass die Zusammen­setzung der Darmflora von Reizdarm­patienten gegenüber der von gesunden Menschen deutlich verändert ist. Als Folge kommt es zu unerwünschten Begleit­erscheinungen.

Beim Reizdarm­syndrom wird die Dehnung durch Gase oder wässrige Stühle als höchst unangenehm empfunden. Durch die veränderte Darmflora entstehen bei der Fermentation mehr schädliche Produkte. Es kann z. B. in hohem Maße Methan gebildet werden, das die Darm­peristaltik lähmt. Gase, die bei der Verdauung entstehen, werden dadurch nicht mehr schnell genug abtrans­portiert und es bildet sich ein unangenehmer Blähbauch. Einige Betroffene leiden deswegen sogar an Verstopfung, obwohl Lactose­intoleranz eigentlich eher mit Durchfällen in Verbindung gebracht wird.


Reizdarm oder Milch­zucker­unverträglichkeit?


Die komplette Vermeidung von Lactose führt übrigens nur bei etwa der Hälfte der vermeintlich Lactose­intoleranten zu einer spürbaren Verbesserung der Symptomatik. Wenn die Beschwerden bei einer Lactose­unverträglich­keit trotz lactose­armer Ernährung nicht abklingen, kann das ein Hinweis auf eine andere zugrunde liegende Erkrankung sein, z. B. Reiz­darm oder Kuhmilch­allergie. Deswegen sollte bei einem Fortbestehen der Beschwerden die Diagnose unbedingt noch einmal von einem Arzt überprüft werden.


Fazit


Die Diagnose Lactose­intoleranz bedeutet nicht zwangs­läufig den vollständigen Verzicht auf Milch­produkte. Obwohl ein großer Teil der Weltbevölkerung im Alter die Fähigkeit verliert, große Mengen Milchzucker enzymatisch aufzuspalten, bleibt in der Regel eine Restaktivität zurück und kleine bis moderate Mengen an Milch­produkten können beschwerde­frei verzehrt werden. Die Auswirkungen des Enzym­defizits sind sehr individuell. Einige Lactose­intolerante haben sogar nicht einmal nach dem Verzehr großer Mengen Milchzucker Beschwerden.

Anders ist der Fall, wenn die Lactose­intoleranz nur als Begleit­erscheinung einer anderen Erkrankung auftritt. Menschen mit Reizdarm­beschwerden vertragen Lactose häufig nur schlecht, auch wenn keine Lactose­intoleranz diagnostiziert wurde. Neben Lactose können auch andere schlecht absorbierbare kurzkettige Kohlen­hydrate (sog. FODMAPs) als Auslöser von Beschwerden in Frage kommen. Erst wenn man die Zufuhr aller FODMAPs reduziert, kommt es in vielen Fällen zu einer spürbaren Verbesserung der Symptomatik.


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Bildquelle:
Photo by Fahmi Fakhrudin on Unsplash