Warum sind aufge­wärmte Gerichte bei Histamin­intoleranz gefährlich?

Histamin ist kein natürlicher Bestandteil von Lebens­mitteln, sondern entsteht als Abbau­produkt bestimmter Amino­säuren durch Bakterien. Wie stark ein Gericht mit Histamin belastet ist, hängt im wesentlichen von folgenden Fragen ab:

  • Sind histamin­produzierende Bakterien­stämme vorhanden?
  • Finden diese Bakterien­stämme geeignetes Substrat (z. B. Histidin)?
  • Wie stark können sich die Bakterien vermehren?
  • Sind die Ausgangs­zutaten bereits vorbelastet?
  • Wie hoch ist die Aktivität der histamin­produzierenden Enzyme?

Da sich die histamin­erzeugenden Bakterien­stämme nur in einem bestimmten Temperatur­bereich besonders stark vermehren, kann man mit einfachen Regeln der Bildung von Histamin und anderen biogenen Aminen wirksam vorbeugen. Wir erklären hier die Zusammen­hänge und warum bei aufge­wärmten Gerichten die Gefahr einer Kontamination durch Histamin besonders hoch ist.

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Histaminproduktion durch Keime und Wichtigkeit der Kühlkette


Lebensmittel wie Fleisch, Geflügel oder Fisch enthalten einen besonders hohen Anteil der Aminosäure Histidin. Auf diesen Lebensmitteln findet man auch praktisch immer Keime, die die Aminosäure enzymatisch (über das Enzym Histidindecarboxylase) in Histamin umwandeln können. Deswegen geht von diesen Lebensmitteln ein höheres Risiko aus als beispielsweise von Gemüse, auf denen diese Keime nicht oder nur in geringer Zahl vorkommen. Dieser Umstand spielt bei der Bewertung von Lebensmitteln in unserer App Histamin, Fructose & Co. eine wichtige Rolle.

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Bei einer Unterbrechung der Kühl­kette können sich die Bakterien schlagartig vermehren, wodurch die Produktion von Histidin­decarboxylase und anderen Zersetzungs­enzymen rasch ansteigt. Diese Enzyme sind auch noch bei niedrigen Temperaturen aktiv, allerdings in reduziertem Umfang. Deswegen kann der Histamin­gehalt in bereits stark kontaminierten, aber abschließend wieder gekühlten Lebensmitteln weiter ansteigen. Einmal gebildet kann Histamin praktisch nicht mehr aus einem Gericht entfernt werden, weil es hitze­stabil ist und durch Kochen nicht zerstört wird.

Allerdings produzieren nicht alle Bakterien Histamin – sind keine entsprechenden Bakterien­stämme vorhanden, bleibt die Konzentration an biogenen Aminen niedrig.


Bildung von Histamin durch unzureichende Kühlung


Beim Erwärmen auf Temperaturen zwischen 74–100 °C werden praktisch alle Keime abgetötet. Ein Koch­topf wird dadurch im Inneren weitest­gehend steril. Diesen Umstand macht man sich beim Einmachen von Lebens­mitteln in Einmach­gläsern zunutze, bei dem verschlossene Behälter abgekocht werden. Beim Erhitzen entweicht zusätzlich die Luft aus den Gläsern, wodurch vielen schädlichen Keimen die Lebens­grundlage entzogen wird. Solange der Behälter dicht verschlossen bleibt, gelangen keine Mikro­organismen und keine Luft von außen ins Innere und das Lebens­mittel bleibt haltbar.

Beim Kochtopf ist die Situation eine andere: hier fehlt der luft­dichte Abschluss als konservierender Faktor. Öffnet man den Topf, beispiels­weise um Essen zu entnehmen, gelangen zwangs­läufig wieder Bakterien ins Essen, besonders wenn die Töpfe für einen längeren Zeit­raum ohne Deckel da stehen.

Einige Keime, die Lebens­mittel­vergiftungen auslösen können, bilden zudem Sporen, die extrem hitze­resistent sind. Diese kann man also nicht einmal durch Abkochen eliminieren. Mit sinkender Temperatur (ab ca. 70 °C) können sich auch diese Keime wieder vermehren und Histamin produzieren (siehe Abbildung 1).

Histaminentwicklung bei hoher Temperatur
Abbildung 1: Histaminentwicklung in unzureichend gekühlten Lebensmitteln.


Häufig werden warme Gerichte deutlich länger als notwendig außerhalb des Kühl­schranks aufbewahrt, beispiels­weise um Strom zu sparen – für Menschen, die empfindlich auf Histamin reagieren, ist das ein großer Fehler. Große Töpfe kühlen nur sehr langsam ab und liegen für einen längeren Zeit­raum in einem kritischen Temperatur­bereich zwischen 30–60 °C – für die Vermehrung von Mikro­organismen sind das ideale Bedingungen.

Erst bei 5–7 °C vermehren sich Bakterien nur noch sehr langsam und die Aktivität von histamin­produzierenden Enzymen wird stark verringert. Das Ziel sollte deswegen sein, Lebens­mittel so schnell wie möglich auf diese Temperatur herabzu­kühlen (siehe Abbildung 2).

Histaminentwicklung bei niedrigeren Temperaturen
Abbildung 2: Deutlich geringere Histaminentwicklung durch schnelles Abkühlen einer Mahlzeit.


Erhöhte Gefahr beim Erhitzen in der Mikrowelle


Werden Lebens­mittel beim Aufwärmen nicht vollständig durcherhitzt, werden pathogene Keime nicht ausreichend abgetötet und es können schnell kritische Mengen an Histamin entstehen. Diese Gefahr ist besonders hoch, wenn zum Aufwärmen eine Mikro­welle benutzt wird, da es dort zu einer ungleich­mäßigen Erwärmung mit kälteren Bereichen kommen kann. Die Temperaturen reichen dann möglicher­weise nicht aus, um alle Keime abzutöten. Dadurch kann die Histamin­konzentration schnell eine für Menschen mit Histamin­intoleranz kritische Schwelle über­schreiten. Dem kann man nur vorbeugen, indem man häufig umrührt und penibel darauf achtet, dass im Gericht eine gleich­mäßige Temperatur von mindestens 74 °C herrscht.


Fallstricke im Restaurant


Wenn man im Restaurant isst, gibt es mehrere potenzielle Gefahren, weil hier häufig viele Lebens­mittel vorgekocht und später aufgewärmt werden, damit man eine Vielzahl von Gästen zeitnah bedienen kann. Jeder Fehler bei der Lebens­mittel­sicherheit bzw. Hygiene kann sich für Menschen mit Histamin­intoleranz negativ auswirken. Die häufigsten Fehler sind Unter­brechung der Kühlkette, unzureichende Kühlung von vorgekochten Lebens­mitteln, langes Warm­halten bei kritischen Temperaturen und eine unzureichende Erhitzung. Man muss deswegen im Restaurant leider mit einer gewissen Histamin­belastung rechnen, besonders bei Buffets.


Wie vermeidet man die Bildung von Histamin?


Wenn man die leckeren Reste eines Gerichts am nächsten Tag noch genießen möchte, sollte man das Gericht so schnell wie möglich bei verschlossenem Deckel abkühlen. Um den Behälter schnellst­möglich herunterzu­kühlen, kann man ihn z. B. in die Spüle in kaltes Wasser stellen oder ihn mit Kühl­akkus aus dem Eisfach abkühlen und ihn dann umgehend in den Kühl­schrank stellen (siehe Abbildung 3). Warme Speisen darf man niemals mehrere Stunden außerhalb des Kühl­schranks stehen lassen!

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Abbildung 3: Kühlakkus können einen Topf schnell herunter­kühlen, ohne den Kühl­schrank zu belasten.

Außerdem sollte man mehrmaliges Erwärmen unbedingt vermeiden, da hier das Risiko der Histamin­kontamination besonders hoch ist – und sich auch kaum verhindern lässt. In der Regel empfiehlt es sich, alle Gerichte frisch zuzubereiten, und falls das nicht möglich ist, einzelne Portionen abzupacken und schnell einzufrieren.


Dieser Blogeintrag wurde am 06.12.2023 umfangreich überarbeitet.


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Quellen:
  1. A. Naila et al., Control of Biogenic Amines in Food – Existing and Emerging Approaches, Journal of Food Science 75:7 (2010), 139–150
  2. J. Leszczyńska et al., The Histamine Content in Some Samples of Food Products, Czech J. Food Sci. 22:3 (2004), 81–86
  3. I. Altieri et al., European official control of food: Determination of histamine in fish products by a HPLC-UV-DAD method, Food Chemistry 211 (2016), 694–699

Foto:
Katrin Gilger, https://flic.kr/p/7A29Zu (
CC BY-SA 2.0)