Warum sind aufgewärmte Gerichte bei Histaminintoleranz gefährlich?
10.02.21Histamin Fructose & Co.
Histamin ist kein natürlicher Bestandteil von Lebensmitteln, sondern entsteht als Abbauprodukt bestimmter Aminosäuren durch Bakterien. Wie stark ein Gericht mit Histamin belastet ist, hängt im wesentlichen von folgenden Fragen ab:
Da sich die histaminerzeugenden Bakterienstämme nur in einem bestimmten Temperaturbereich besonders stark vermehren, kann man mit einfachen Regeln der Bildung von Histamin und anderen biogenen Aminen wirksam vorbeugen. Wir erklären hier die Zusammenhänge und warum bei aufgewärmten Gerichten die Gefahr einer Kontamination durch Histamin besonders hoch ist.
Lebensmittel wie Fleisch, Geflügel oder Fisch enthalten einen besonders hohen Anteil der Aminosäure Histidin. Auf diesen Lebensmitteln findet man auch praktisch immer Keime, die die Aminosäure enzymatisch (über das Enzym Histidindecarboxylase) in Histamin umwandeln können. Deswegen geht von diesen Lebensmitteln ein höheres Risiko aus als beispielsweise von Gemüse, auf denen diese Keime nicht oder nur in geringer Zahl vorkommen. Dieser Umstand spielt bei der Bewertung von Lebensmitteln in unserer App Histamin, Fructose & Co. eine wichtige Rolle.
Bei einer Unterbrechung der Kühlkette können sich die Bakterien schlagartig vermehren, wodurch die Produktion von Histidindecarboxylase und anderen Zersetzungsenzymen rasch ansteigt. Diese Enzyme sind auch noch bei niedrigen Temperaturen aktiv, allerdings in reduziertem Umfang. Deswegen kann der Histamingehalt in bereits stark kontaminierten, aber abschließend wieder gekühlten Lebensmitteln weiter ansteigen. Einmal gebildet kann Histamin praktisch nicht mehr aus einem Gericht entfernt werden, weil es hitzestabil ist und durch Kochen nicht zerstört wird.
Allerdings produzieren nicht alle Bakterien Histamin – sind keine entsprechenden Bakterienstämme vorhanden, bleibt die Konzentration an biogenen Aminen niedrig.
Beim Erwärmen auf Temperaturen zwischen 74–100 °C werden praktisch alle Keime abgetötet. Ein Kochtopf wird dadurch im Inneren weitestgehend steril. Diesen Umstand macht man sich beim Einmachen von Lebensmitteln in Einmachgläsern zunutze, bei dem verschlossene Behälter abgekocht werden. Beim Erhitzen entweicht zusätzlich die Luft aus den Gläsern, wodurch vielen schädlichen Keimen die Lebensgrundlage entzogen wird. Solange der Behälter dicht verschlossen bleibt, gelangen keine Mikroorganismen und keine Luft von außen ins Innere und das Lebensmittel bleibt haltbar.
Beim Kochtopf ist die Situation eine andere: hier fehlt der luftdichte Abschluss als konservierender Faktor. Öffnet man den Topf, beispielsweise um Essen zu entnehmen, gelangen zwangsläufig wieder Bakterien ins Essen, besonders wenn die Töpfe für einen längeren Zeitraum ohne Deckel da stehen.
Einige Keime, die Lebensmittelvergiftungen auslösen können, bilden zudem Sporen, die extrem hitzeresistent sind. Diese kann man also nicht einmal durch Abkochen eliminieren. Mit sinkender Temperatur (ab ca. 70 °C) können sich auch diese Keime wieder vermehren und Histamin produzieren (siehe Abbildung 1).
▲ Abbildung 1: Histaminentwicklung in unzureichend gekühlten Lebensmitteln.
Häufig werden warme Gerichte deutlich länger als notwendig außerhalb des Kühlschranks aufbewahrt, beispielsweise um Strom zu sparen – für Menschen, die empfindlich auf Histamin reagieren, ist das ein großer Fehler. Große Töpfe kühlen nur sehr langsam ab und liegen für einen längeren Zeitraum in einem kritischen Temperaturbereich zwischen 30–60 °C – für die Vermehrung von Mikroorganismen sind das ideale Bedingungen.
Erst bei 5–7 °C vermehren sich Bakterien nur noch sehr langsam und die Aktivität von histaminproduzierenden Enzymen wird stark verringert. Das Ziel sollte deswegen sein, Lebensmittel so schnell wie möglich auf diese Temperatur herabzukühlen (siehe Abbildung 2).
▲ Abbildung 2: Deutlich geringere Histaminentwicklung durch schnelles Abkühlen einer Mahlzeit.
Werden Lebensmittel beim Aufwärmen nicht vollständig durcherhitzt, werden pathogene Keime nicht ausreichend abgetötet und es können schnell kritische Mengen an Histamin entstehen. Diese Gefahr ist besonders hoch, wenn zum Aufwärmen eine Mikrowelle benutzt wird, da es dort zu einer ungleichmäßigen Erwärmung mit kälteren Bereichen kommen kann. Die Temperaturen reichen dann möglicherweise nicht aus, um alle Keime abzutöten. Dadurch kann die Histaminkonzentration schnell eine für Menschen mit Histaminintoleranz kritische Schwelle überschreiten. Dem kann man nur vorbeugen, indem man häufig umrührt und penibel darauf achtet, dass im Gericht eine gleichmäßige Temperatur von mindestens 74 °C herrscht.
Wenn man im Restaurant isst, gibt es mehrere potenzielle Gefahren, weil hier häufig viele Lebensmittel vorgekocht und später aufgewärmt werden, damit man eine Vielzahl von Gästen zeitnah bedienen kann. Jeder Fehler bei der Lebensmittelsicherheit bzw. Hygiene kann sich für Menschen mit Histaminintoleranz negativ auswirken. Die häufigsten Fehler sind Unterbrechung der Kühlkette, unzureichende Kühlung von vorgekochten Lebensmitteln, langes Warmhalten bei kritischen Temperaturen und eine unzureichende Erhitzung. Man muss deswegen im Restaurant leider mit einer gewissen Histaminbelastung rechnen, besonders bei Buffets.
Wenn man die leckeren Reste eines Gerichts am nächsten Tag noch genießen möchte, sollte man das Gericht so schnell wie möglich bei verschlossenem Deckel abkühlen. Um den Behälter schnellstmöglich herunterzukühlen, kann man ihn z. B. in die Spüle in kaltes Wasser stellen oder ihn mit Kühlakkus aus dem Eisfach abkühlen und ihn dann umgehend in den Kühlschrank stellen (siehe Abbildung 3). Warme Speisen darf man niemals mehrere Stunden außerhalb des Kühlschranks stehen lassen!
▲ Abbildung 3: Kühlakkus können einen Topf schnell herunterkühlen, ohne den Kühlschrank zu belasten.
Außerdem sollte man mehrmaliges Erwärmen unbedingt vermeiden, da hier das Risiko der Histaminkontamination besonders hoch ist – und sich auch kaum verhindern lässt. In der Regel empfiehlt es sich, alle Gerichte frisch zuzubereiten, und falls das nicht möglich ist, einzelne Portionen abzupacken und schnell einzufrieren.
Dieser Blogeintrag wurde am 06.12.2023 umfangreich überarbeitet.
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Quellen:
Foto:
Katrin Gilger, https://flic.kr/p/7A29Zu (CC BY-SA 2.0)
- Sind histaminproduzierende Bakterienstämme vorhanden?
- Finden diese Bakterienstämme geeignetes Substrat (z. B. Histidin)?
- Wie stark können sich die Bakterien vermehren?
- Sind die Ausgangszutaten bereits vorbelastet?
- Wie hoch ist die Aktivität der histaminproduzierenden Enzyme?
Da sich die histaminerzeugenden Bakterienstämme nur in einem bestimmten Temperaturbereich besonders stark vermehren, kann man mit einfachen Regeln der Bildung von Histamin und anderen biogenen Aminen wirksam vorbeugen. Wir erklären hier die Zusammenhänge und warum bei aufgewärmten Gerichten die Gefahr einer Kontamination durch Histamin besonders hoch ist.
Histaminproduktion durch Keime und Wichtigkeit der Kühlkette
Lebensmittel wie Fleisch, Geflügel oder Fisch enthalten einen besonders hohen Anteil der Aminosäure Histidin. Auf diesen Lebensmitteln findet man auch praktisch immer Keime, die die Aminosäure enzymatisch (über das Enzym Histidindecarboxylase) in Histamin umwandeln können. Deswegen geht von diesen Lebensmitteln ein höheres Risiko aus als beispielsweise von Gemüse, auf denen diese Keime nicht oder nur in geringer Zahl vorkommen. Dieser Umstand spielt bei der Bewertung von Lebensmitteln in unserer App Histamin, Fructose & Co. eine wichtige Rolle.
Sind Sie von Lebensmittelunverträglichkeiten betroffen?
Unsere App Histamin, Fructose & Co. enthält alle wichtigen Informationen.
Unsere App Histamin, Fructose & Co. enthält alle wichtigen Informationen.
Bei einer Unterbrechung der Kühlkette können sich die Bakterien schlagartig vermehren, wodurch die Produktion von Histidindecarboxylase und anderen Zersetzungsenzymen rasch ansteigt. Diese Enzyme sind auch noch bei niedrigen Temperaturen aktiv, allerdings in reduziertem Umfang. Deswegen kann der Histamingehalt in bereits stark kontaminierten, aber abschließend wieder gekühlten Lebensmitteln weiter ansteigen. Einmal gebildet kann Histamin praktisch nicht mehr aus einem Gericht entfernt werden, weil es hitzestabil ist und durch Kochen nicht zerstört wird.
Allerdings produzieren nicht alle Bakterien Histamin – sind keine entsprechenden Bakterienstämme vorhanden, bleibt die Konzentration an biogenen Aminen niedrig.
Bildung von Histamin durch unzureichende Kühlung
Beim Erwärmen auf Temperaturen zwischen 74–100 °C werden praktisch alle Keime abgetötet. Ein Kochtopf wird dadurch im Inneren weitestgehend steril. Diesen Umstand macht man sich beim Einmachen von Lebensmitteln in Einmachgläsern zunutze, bei dem verschlossene Behälter abgekocht werden. Beim Erhitzen entweicht zusätzlich die Luft aus den Gläsern, wodurch vielen schädlichen Keimen die Lebensgrundlage entzogen wird. Solange der Behälter dicht verschlossen bleibt, gelangen keine Mikroorganismen und keine Luft von außen ins Innere und das Lebensmittel bleibt haltbar.
Beim Kochtopf ist die Situation eine andere: hier fehlt der luftdichte Abschluss als konservierender Faktor. Öffnet man den Topf, beispielsweise um Essen zu entnehmen, gelangen zwangsläufig wieder Bakterien ins Essen, besonders wenn die Töpfe für einen längeren Zeitraum ohne Deckel da stehen.
Einige Keime, die Lebensmittelvergiftungen auslösen können, bilden zudem Sporen, die extrem hitzeresistent sind. Diese kann man also nicht einmal durch Abkochen eliminieren. Mit sinkender Temperatur (ab ca. 70 °C) können sich auch diese Keime wieder vermehren und Histamin produzieren (siehe Abbildung 1).
▲ Abbildung 1: Histaminentwicklung in unzureichend gekühlten Lebensmitteln.
Häufig werden warme Gerichte deutlich länger als notwendig außerhalb des Kühlschranks aufbewahrt, beispielsweise um Strom zu sparen – für Menschen, die empfindlich auf Histamin reagieren, ist das ein großer Fehler. Große Töpfe kühlen nur sehr langsam ab und liegen für einen längeren Zeitraum in einem kritischen Temperaturbereich zwischen 30–60 °C – für die Vermehrung von Mikroorganismen sind das ideale Bedingungen.
Erst bei 5–7 °C vermehren sich Bakterien nur noch sehr langsam und die Aktivität von histaminproduzierenden Enzymen wird stark verringert. Das Ziel sollte deswegen sein, Lebensmittel so schnell wie möglich auf diese Temperatur herabzukühlen (siehe Abbildung 2).
▲ Abbildung 2: Deutlich geringere Histaminentwicklung durch schnelles Abkühlen einer Mahlzeit.
Erhöhte Gefahr beim Erhitzen in der Mikrowelle
Werden Lebensmittel beim Aufwärmen nicht vollständig durcherhitzt, werden pathogene Keime nicht ausreichend abgetötet und es können schnell kritische Mengen an Histamin entstehen. Diese Gefahr ist besonders hoch, wenn zum Aufwärmen eine Mikrowelle benutzt wird, da es dort zu einer ungleichmäßigen Erwärmung mit kälteren Bereichen kommen kann. Die Temperaturen reichen dann möglicherweise nicht aus, um alle Keime abzutöten. Dadurch kann die Histaminkonzentration schnell eine für Menschen mit Histaminintoleranz kritische Schwelle überschreiten. Dem kann man nur vorbeugen, indem man häufig umrührt und penibel darauf achtet, dass im Gericht eine gleichmäßige Temperatur von mindestens 74 °C herrscht.
Fallstricke im Restaurant
Wenn man im Restaurant isst, gibt es mehrere potenzielle Gefahren, weil hier häufig viele Lebensmittel vorgekocht und später aufgewärmt werden, damit man eine Vielzahl von Gästen zeitnah bedienen kann. Jeder Fehler bei der Lebensmittelsicherheit bzw. Hygiene kann sich für Menschen mit Histaminintoleranz negativ auswirken. Die häufigsten Fehler sind Unterbrechung der Kühlkette, unzureichende Kühlung von vorgekochten Lebensmitteln, langes Warmhalten bei kritischen Temperaturen und eine unzureichende Erhitzung. Man muss deswegen im Restaurant leider mit einer gewissen Histaminbelastung rechnen, besonders bei Buffets.
Wie vermeidet man die Bildung von Histamin?
Wenn man die leckeren Reste eines Gerichts am nächsten Tag noch genießen möchte, sollte man das Gericht so schnell wie möglich bei verschlossenem Deckel abkühlen. Um den Behälter schnellstmöglich herunterzukühlen, kann man ihn z. B. in die Spüle in kaltes Wasser stellen oder ihn mit Kühlakkus aus dem Eisfach abkühlen und ihn dann umgehend in den Kühlschrank stellen (siehe Abbildung 3). Warme Speisen darf man niemals mehrere Stunden außerhalb des Kühlschranks stehen lassen!
▲ Abbildung 3: Kühlakkus können einen Topf schnell herunterkühlen, ohne den Kühlschrank zu belasten.
Außerdem sollte man mehrmaliges Erwärmen unbedingt vermeiden, da hier das Risiko der Histaminkontamination besonders hoch ist – und sich auch kaum verhindern lässt. In der Regel empfiehlt es sich, alle Gerichte frisch zuzubereiten, und falls das nicht möglich ist, einzelne Portionen abzupacken und schnell einzufrieren.
Dieser Blogeintrag wurde am 06.12.2023 umfangreich überarbeitet.
Sind Sie von Lebensmittelunverträglichkeiten betroffen?
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Quellen:
- A. Naila et al., Control of Biogenic Amines in Food – Existing and Emerging Approaches, Journal of Food Science 75:7 (2010), 139–150
- J. Leszczyńska et al., The Histamine Content in Some Samples of Food Products, Czech J. Food Sci. 22:3 (2004), 81–86
- I. Altieri et al., European official control of food: Determination of histamine in fish products by a HPLC-UV-DAD method, Food Chemistry 211 (2016), 694–699
Foto:
Katrin Gilger, https://flic.kr/p/7A29Zu (CC BY-SA 2.0)